Der treue Freund des Menschen. Steter Begleiter in jeder Situation. Informant, Ablenker, Kontakt-Halter, Musicbox und vieles mehr. All das ist… das Smartphone.
Kein Gegenstand ist so omnipräsent wie das Handy bzw. Smartphone. Reißt man seinen eigenen Blick mal kurz vom Smartphone-Bildschirm los, sieht man sie… Die Business-People, welche geschäftig telefonieren oder tippen. Die Schüler, in das neuste Handygame vertieft. Die Jungs und Mädels, Damen und Herren, die per Whatsapp, iMessage, Viper und Konsorten stets connected sind. Und natürlich die über-alles-Informierer, welche ihr Leben am liebsten Minutengenau mit der Welt teilen. Per Facebook, Instagram und Co.

Aufmerksamkeit vs. Smartphone
Flirten in der S-Bahn? Wie denn, wenn jedermann aufs Handy starrt?!
Mal ehrlich… ist euch das noch nicht aufgefallen, wie ruhig es im Gegensatz zu früher in U-Bahn, S-Bahn, Zug und Bus geworden ist? Wie wenig Blickkontakt die Menschen zueinander haben? Wie selten sich fremde Leute miteinander unterhalten? Dabei gibt es doch nichts schöneres, als neue Leute kennenzulernen. Live, in Farbe und vor allem ungeplant.
Wie hieß es doch gleich… das Jugendwort des Jahres 2015? Smombie. Eine Neukreation aus Smartphone und Zombie. Smartphone-Zombie. Und ich muss zugeben, es ist äußerst passend. Manchmal frage ich mich, ob das ewige aufs Smartphone starren sich nicht nur auf den Nacken auswirkt, sondern auch auf das Gehirn…
Auf die Verkehrssicherheit wirkt es jedoch allemal. Schließlich lenkt nur wenig so sehr ab wie das Handy. Sei es der kurze Blick auf die gerade eingegangene SMS am Auto-Steuer oder das Surfen im Internet als Fußgänger. Blick aufs Handy – Umwelt aus. Und das leider viel zu oft mit schwerwiegenden Folgen.
Ein Abend ohne Smartphone – mein Selbstexperiment
Es ist für mich Routine. Rausgehen? Nicht ohne mein Handy. Der Griff zur Handtasche und gleich danach zum Handy, um es in die Tasche zu stecken. Routine ohne groß darüber nachzudenken. Hab ich alles? Handy, Geldbörse, Schlüssel… alles da. Los geht’s.
Aber ist das Smartphone denn wirklich so wichtig? Ist es einfach nur Gewohnheit, es stets bei mir zu tragen? Oder brauche ich es wirklich?
Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Also nahm ich also einen Konzertbesuch zum Anlass, das Handy einfach mal zu Hause zu lassen.
Ohne Handy – Schritt für Schritt
Die Umstellung auf einen Abend ohne Handy begann schon bei der Vorbereitung.
Schritt 1 – meine Konzertbegleitung informieren: ich nehme das Handy nicht mit.
Schritt 2 – einen Treffpunkt sowie eine Uhrzeit vereinbaren.
Schritt 3 – pünktlich sein. Schließlich habe ich kein Handy dabei, um ggf. meine Verspätung mitzuteilen
Schritt 4 – direkt zum Treffpunkt gehen. Keine Umwege oder kurzfristige andere Treffpunkte. Man kann es schließlich nicht kommunizieren.
Spinnst Du? – oder: Die erste Erkenntnis
Ungläubigkeit war wohl die erste Erkenntnis bzw. Erfahrung, welche ich an meinem handylosen Abend machen durfte. Jede Person, die ich über meine Handylosigkeit informierte, reagierte ungläubig oder teils sogar geschockt. Warum machst Du das? Man braucht das Handy doch! Wie soll man Dich dann vor Ort finden? Wie soll man Dich erreichen?
Fragen über Fragen. Aber hey, früher ging es doch auch!
Die Sachen mit der Zeit – oder: Die zweite Erkenntnis
Pünktlichkeit ist eine Tugend. So heißt es zumindest. Und gerade diese Tugend wird durch das Handy leicht schachmatt gesetzt. Schließlich ist es Dank dem kleinen Technikwunder kein Problem, einfach kurz mitzuteilen, dass man etwas später kommt.

Und genau das zu tun, ist so verlockend. Unpünktlich? Kein Problem, man kann ja Bescheid sagen.
Tja, aber genau das ging an meinem handyfreien Abend nicht. Fazit: ich musste die Uhr genau im Blick haben. Ein bisschen trödeln? Noch schnell einen Kaffee, bevor es los geht? Keine Zeit! Denn ich muss heute pünktlich sein!
Nackte Tatsachen – oder: Die dritte Erkenntnis
Es war ungewohnt, ohne meinen treuen Begleiter, das Smartphone, die Wohnung zu verlassen. Der Kontrollgriff in die Tasche… Schlüssel, Geldbörse, Ha… nein, kein Handy! Ein kurzer Schockmoment, bis mir wieder einfiel, dass heute ja mein handyfreier Abend ist.
Auf zur S-Bahn. Reingesetzt und… nein, kein Smartphone. Stattdessen der Blick aus dem Fenster. Schöne Gegend. Die vielen Lichter im Dunkel. Einfach schön. Und die Mitfahrer? Kaum einer sah hinaus. Die meisten saßen mit dem Blick nach unten da. Mit dem Blick aufs Handy. Nur ein paar wenige unterhielten sich – während sie auf ihre Smartphones schauen.
Und ich kam mir irgendwie… nackt vor. Es fehlte was. Nackt und… ja, teilweise sogar ausgeliefert. Ich merkte auf einmal, wie sehr das Handy auch als Blocker dient. Um Blicke nicht zu bemerken. Um nicht auf andere eingehen oder reagieren zu müssen. Einfach, um allein sein zu können.
Aber… will ich das? Alleine sein? Warum fühle ich mich ohne Handy unwohl? Fragen, denen ich mich nun stellen muss.
Wo bist Du? – oder: Die vierte Erkenntnis
Die S-Bahn fährt ein, ich steige aus. Doch wo ist meine Konzertbegleitung? Der Bahnsteig leert sich. Niemand da. Kein Problem, einfach mal schnell nachfragen… oder auch nicht. Schließlich habe ich kein Handy dabei.
Nach rund fünf Minuten Wartezeit beschloss ich, nach oben zu gehen. Evtl. findet man sich dort. Und so war es schließlich auch. Gerade als ich hoch kam, blieb ein Bus stehen. Meine Begleitung war zu spät.
Weiter ging es, zur Konzert-Location. Garderobe, Bar und… irgendwann auch zur Toilette. Und danach? Konnte man sich nicht wiederfinden im Gedränge. Kein Problem mit Handy… ein kurzes: „Wo bist Du?“ und schon wäre das Problem gelöst. Doch ich hatte kein Handy dabei. Und nun? Stehen bleiben und abwarten, bis die Begleitung wieder auftaucht? Die Halle durchstreifen und nach ihr suchen?
Ich entschied mich für das Warten. Nach mehreren Minuten rumstehen, machte ich mich dann doch mal auf die Suche. Und fand meine Begleitung ein gutes Stück entfernt. Warum? Weil man von dort aus einen besseren Blick auf die Bühne hatte. Nachvollziehbar. Aber handylos doch irgendwie… kompliziert.
Bitterkalte Wartezeit – oder: die fünfte Erkenntnis
Das Konzert war zu Ende. Zeit, für den Heimweg. Wann geht die nächste S-Bahn? Kurz das Smartphone checken, schließlich gibt es eine App dafür. Tja, nicht heute Nacht. Und natürlich hatte ich nicht daran gedacht, mir einen Fahrplan aus Papier mit einzustecken.
Also, auf gut Glück zur S-Bahn-Station. Ein Blick auf die Anzeigetafel und… 28 Minuten warten. Und das bei Wind und bitterkalten Temperaturen. Mein Handy und die darauf installierte Fahrplan-App hätten mir einige bitterkalte, bibberintensive und frostige Warteminuten erspart.
Endlich kam die S-Bahn. Reingesetzt und aufgewärmt. Und siehe da… im Gegensatz zur Hinfahrt, fühlte ich mich ohne Handy gar nicht mehr so unwohl. Ich beobachtete die mitfahrenden Personen. Freute mich über die nächtliche Beleuchtung draußen. Und genoss einfach die Fahrt.
Hallo Taxi – oder: die sechste Erkenntnis
Vom Bahnhof hin zu meiner Wohnung sind es rund 30 Minuten zu Fuß. Es war spät und es war kalt. Also entschied ich mich, ein Taxi zu nehmen. Vom Bahnhof aus ja kein Problem. So dachte ich zumindest.
Rum um das Gebäude Richtung Taxistand und… nur ein einziges, einsames Taxi! Nun hieß es, schnell sein, um vor jemand anderem das Taxi zu erreichen. Ob da noch jemand zum Taxi wollte? Keine Ahnung. Doch die Panik, handylos und ohne Taxi dazustehen, ließ mich schneller werden.
Kleingeld für die Telefonzelle hatte ich keines mehr und auch kein Smartphone an der Hand. Wie hätte ich denn dann ein Taxi rufen können, hätte ich das eine nicht erwischt? Da wurde mir bewusst, wie hilflos man doch ohne Handy ist. Oder?
Sechs Erkenntnisse und ein Handy
Nun war sie vorüber, meine smartphonefreie Nacht. Und ich war um einige Erkenntnisse reicher:
- Es ist ungewohnt, ohne Handy unterwegs zu sein
- Das Smartphone reduziert die Pünktlichkeit
- Ohne Handy fehlt etwas
- Sich finden? Leichter mit dem Handy
- Das Smartphone minimiert die Wartezeit
- Das Smartphone – ein hilfreiches Accessoire
Ein Abend ohne Smartphone. Es war ein Experiment, welches mir einige Erkenntnisse brachte. Vor allem über mich selbst. Es hat mir vor Augen geführt, wie oft ich – meist schon fast unbewusst – nach meinem Smartphone greife. Wie oft ich nachsehen will, ob eine Nachricht ankam, mich über irgendetwas informieren will und und und.
Mein kleines Experiment hat mir gezeigt, dass mein Handy ein Teil meines Lebens ist. Es geht auch ohne. Aber: das Smartphone macht das Leben in vielen Situationen doch irgendwie einfacher.
Ich werde mein Handy mit Sicherheit auch weiterhin stets bei mir haben. Doch werde ich es in Zukunft öfter einfach mal in der Tasche lassen und mich auf andere Dinge konzentrieren.
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